Gezieltes Finden gehackter Webseiten
Webseitenhackings werden im Projekt INSPECTION automatisiert von außen erkannt. Dadurch können die Verursacher gezielter identifiziert, die Betroffenen zielgerichtet informiert und Prävention entlang von Beispielen plastisch gemacht werden.
Gehackte Webseiten von außen erkennen
Das Projekt INSPECTION verfolgt das Ziel, gehackte Webseiten durch das maschinelle Durchsuchen des deutschsprachigen Internets von außen zu identifizieren. Die Straftat des Hackings wird demnach nicht vom Betroffenen erkannt, sondern im größeren Kontext mit Hilfe lernender Verfahren automatisiert ermittelt und weitergemeldet. Auf diese Weise konnten bereits 10 000 Hackingfälle über die verschiedensten Branchen hinweg automatisiert gefunden werden. Dies erlaubt zum einen, Spuren zu den Straftätern besser zu ermitteln, zum anderen liefern die Fälle wertvolles Anschauungsmaterial für die Prävention. Lokale Beispiele oder Beispiele bestimmter Branchen können für Veranstaltungen und Informationsmaterial herangezogen werden, um Zuhörer zum Handeln zu motivieren.
Die Erkennung des Webseiten-Hackings von außen ist möglich, weil die Betrüger die gute Positionierung bestehender Seiten nutzen, um mit manipulierten Inhalten auf missbräuchliche Angebote wie Fake-Shops, Ransomware-Downloads, Bitcoin-Portale, Phishing, Pornographie und Casino-Seiten weiterzuleiten. Der Webauftritt bleibt dabei aus Nutzersicht unauffällig, d.h. die normale Verwendbarkeit der Webseite bleibt erhalten. Deshalb fallen die Hackings den Betroffenen über Monate, häufig sogar Jahre, nicht auf.
Den Mechanismus kann man nachvollziehen, wenn man in der Suchmaschine mit dem Parameter site: sämtliche von der Suchmaschine indexierten Seiten einer betroffenen Domain auflisten lässt. Im Beispiel der Suche „site:domaenenname.de“ (Abbildung 1) erscheinen neben den regulären Einträgen zu Energiesystemen manipulierte Einträge der Hacker zu Arzneimitteln. Diese sind für die Suchmaschine optimiert und zeigen sogar positive Bewertungen an. Ein Klick auf einen solchen Eintrag führt Verbraucher, die das Abnehm-Medikament suchen, über eine Weiterleitung in einen Fake-Shop.
Bestehenden Webseiten mit Sicherheitslücken sind das Ziel der Hacker. Die thematische Nähe zu den Themen der Zielseiten spielen dabei eine untergeordnete Rolle. Die Hacker belassen die originalen Inhalte der Webseite und ergänzen Ihre Themen zusätzlich als neue Seiten der Domain. Sie erreichen damit eine sehr schnelle und gute Suchmaschinenplatzierung. In Einzelfällen gelingt es den Angreifern eine sechsstellige Zahl zusätzlicher Unterseiten in einen bestehenden Webauftritt einzuhängen. Damit wird die manipulierte Webseite Suchmaschinen in guten Positionen zu den verschiedensten Themen der Zielseiten der Hacker gefunden.
Sollte der Fake-Shop durch Markeninhaber oder polizeiliche Ermittlungen geschlossen werden, wird einfach eine neue Internet-Domäne angemeldet und die Phalanx manipulierter Webseiten entsprechend aktualisiert, um direkt vom ersten Tag an, Besucher auf die neue missbräuchliche Ziele zu lenken. Die Hacker haben Vollzugriff auf die Internet-Domänen und können dadurch weitere betrügerische Nutzungsformen wie Spam-Versand oder Angriffe auf andere Rechner implementieren.
Permanente Überwachung neuer Sucheinträge mit KI
Die mindUp Web + Intelligence GmbH ist im Forschungsprojekt INSPECTION zuständig für das Finden der gehackten Webseiten. Die Analysemethoden von mindUp basieren auf der permanenten Auswertung von sehr großen Mengen von Suchergebnissen der Suchmaschinen. Gesucht wird in der ganzen begrifflichen Breite des Online-Shoppings und zusätzlich mit Begrifflichkeiten häufiger Missbrauchsthemen wie Kryptowährungen, Casinos und Erotik. Mit Techniken der künstlichen Intelligenz bezüglich verschiedener Auffälligkeiten werden die betrügerischen Inhalte erkannt und von normalen Ergebnissen unterschieden.
Zusätzlich zur permanenten Suche in den Suchmaschinen werden proaktiv Webseiten der im Projekt beteiligten Handwerkskammern und Fachverbände gecrawlt, um in der regionalen und thematischen Struktur „anlasslos“ Problemfälle zu finden und über die direkten Beziehungen der Verbände anzusprechen.
Fallbündelung für die Strafverfolgung
Bei den entdeckten Straftaten handelt es sich bei den Webseitenhackings um „Cybercrime im engeren Sinne“, bei den Zielseiten um Betrug, in Teilbereichen um Verstöße gegen das Arzneimittelrecht, da rezeptpflichtige Arzneimittel ohne Verschreibung angeboten werden. Für die Strafverfolgung sind diese Straftaten in der Regel schwer zu ahnden, da sie verteilt auf sechzehn Bundesländer bei den ZACs oder Polizeidienststellen gemeldet werden. Häufig bleibt die Anzeige der Betroffenen auch aus, da diese den Vorfall nicht bemerken oder nicht nach außen dringen lassen möchten.
Die Erkennung von außen im großen Stil und die Bündelung über das gleichartige Hackingziel, bieten die Möglichkeit, Ermittlungen der Straftäter zusammenzulegen und aus der Summe der Spuren eine bessere Sicht auf die Täterschaft zu gewinnen. So wurden die Universitäten München und Kiel vom gleichen Verursacher gehackt (siehe Abbildung 2).
Webseitenhacking als Zulieferer zu Fake Shops, Scareware und Ransomware
Zu Projektbeginn lag der Fokus darauf, gehackte Webseiten zu finden, die auf Fake-Online Shops verlinken. Im Verlauf des Projektes wurde klar, dass diese Form des Hackings auch für andere Missbrauchsformen wie Pornographie, Ransomware Downloads, illegales Glückspiel, Bitcoin-Betrug oder zur Promotion von Hacker-Tools genutzt wird.
Es wird als Technik auch nicht immer Hacking eingesetzt. Stattdessen werden auch in extrem großem Umfang Webseiten angemietet (sog. Satelliten-Seiten), um dann mit den gleichen Techniken wie beim Hacking, Weiterleitungen einzurichten (siehe Abbildung 3).
Logfiles von Hackings legen nahe, dass arbeitsteilig gearbeitet wird. Ein Hacker übernimmt Internet-Domänen, ein SEO-Experte präpariert die Inhalte so, dass Sie von den Suchmaschinen ideal aufgenommen werden. Der dritte Akteur dürfte der Auftraggeber sein, der den Fake-Shop oder das missbräuchliche Portal betreibt. Teilweise sind Strukturen zu entdecken, die ähnlich zu Adservern in der Online-Werbebranche arbeiten, d.h. wirtschaftlich getrennte Zubringerdienste leiten dem Höchstbietenden gewinnmaximiert die Besucher zu.